Ich lese nichtsahnend heute die Kleine Zeitung online und stoße dabei auf folgenden Artikel:
Bachelor: Titel, den keiner will (da ich nicht weiß wie lange die kleine Zeitung ihre Artikel online lässt hab ichs euch als .pdf hinterlegt)
Mich hat dieser Artikel sehr beschäftigt, denn auch hier in den USA wurde ich nicht erst einmal gefragt welchen Studienstatus ich habe (gemeint ist damit ob ich Bachelor oder Masterstudent bin). Meine Antwort war dann: International Exchange Student. Daraufhin kam dann die frage, ja gut und was studiere ich hier? Bachelor oder Master. Meine Antwort auf diese Frage, nämlich beides, warf noch mehr Fragen auf und aus keiner dieser Unterhaltung kam ich ohne Erklärung unseres Unisystems in Österreich davon. Dies warf meist noch mehr Fragen auf, denn für die Amerikaner und anscheinend auch für die Asiaten gibt es entweder den Bachelor + Beruf oder einen Beruf+Masterstudium. Unsere österreichische Kombination von Bachelor+Master und dann erst Beruf war für die meisten meiner Gesprächspartner nicht nachvollziehbar. Ich musste da leider auch immer auf die Erklärung mit unserem alten System ausweichen, wo es ein Diplomstudium gab in dem man abschloss und sich dann ins Arbeitsleben stürzt. Und jetzt dieses Diplomsystem in Bakk+Master aufgeteilt wurde. Aha und Oho gab es dann von meinem Gegenüber, verstanden haben es sicherlich die wenigsten. Und um ehrlich zu sein, auch ich verstehe unser neues System noch nicht wirklich!
Klar, bevor ich hier nach Amerika kam war für mich auch klar, dass der Bachelor-Titel von der EU kommt, irgendwas mit Bologna Prozess zu tun hat aber ja. Für mich wars nur irgendwie die Gleichgestaltung aller europäischen Unilehrgänge, einen 3-jährigen Bachelor + 2-jährigen Master an Stelle des Diplomstudiums. In anderen Ländern gibt es das System ja schon länger und wie aus der Zeitung zu erfahren ist, war Österreich eines der letzten Länder, das umgestellt hat.
Nun ja, jetzt bin ich aber hier in den USA und kann mich zu dem Artikel bzw. überhaupt zur Hochschulpolitik und der Gleichwertigkeit von Bachelor (US) und Quasi-Bachelor (EU) äußern.
Als erstes möchte ich klarstellen, dass das einzige und zwar wirklich das überaus einzigste, was die beiden Systeme gleich haben der Name ist Bachelor hier wie da! Aber das wars dann auch schon…
Schulsystem in der USA
Zum besseren Verständnis hier mal den Aufbau des amerikanischen Schul- bzw. Hochschulsystems. Den in Österreich kennen wir hoffentlich alle
Also wie man auf dem Bild hier schön sieht ist unsere gleichwertige höhere Schulbildung (BHS, AHS) in den USA mit 17 abgeschlossen.
Danach gehts für die meisten Amerikaner ins Studienleben. Das Studium untergliedert sich in:
- Undergraduate School (namentlich College genannt)
- Graduate School (hier als University bezeichnet)
- und Professional School (auch als Doctoral School bekannt)
Und hierbei ist auch erwähnt, dass der Amerikaner NICHT alle 3 Studien, wie in Europa üblich, in einem durchzieht und mit 24 Jahren dann als fertiger Doktor dasteht (17 Jahre Schule + 7 Jahre Studium)
Hier legt man besonders viel Wert auf eine ordentliche Grundausbildung und noch mehr Wert auf das eigene Interesse.
Schon in den Ground und High School beginnt es damit, dass man sich ein Major-Fach aussucht. Das wäre in Geralds und meinem Fall Electrical Engineering oder Biomedical Engineering. Das heißt das ist sein Hauptfach. Weiters darf sich jeder Schüler und später Student ein Minor-Fach aussuchen. Das passt entweder fachlich zum Studium z.B. Health Care Engineering oder Public Health bei mir und Mikroelektronics oder Physik als Minor. Es kann aber auch ganz in eine andere Richtung gehen wie zB Biomedical Major und Englisch, Sport oder was auch immer. Hier sind alle nur erdenklichen Kombinationen erlaubt! Und das unterscheidet das System schon einmal ganz wesentlich zum europäisch/österreichischem.
Bei uns bekommt man ab dem Eintritt in eine höhere Schule seinen Stempel aufgedrückt. Man geht entweder in eine HTL, HAK, HBLA oder ein Borg und die jeweiligen Schulen richten sich nach verschiedenen Schwerpunkten, aber immer getreu dem Schulziel “Technik”, “Buchhaltung”, “Kochen” oder “Allgemeinwissen” jetzt ganz überspitzt ausgedrückt.
Klar gibt es diese rein fachlichen Schulen auch hier, aber nicht in der Fülle wie sie bei uns bekannt sind und die fachlichen Schulen hier bereiten einen dann wirklich schon sehr gezielt aufs nachfolgende Studium vor – deswegen gibt es diese Fachschulen vor allem im Gebiet der Medizin, Rechtswissenschaften, Sport. Was für mich dann auch wirklich Sinn macht.
Die Studienzeit beginnt…
Wir Österreicher sind nun also 18/19 Jahre bzw. 20 Jahre (nach dem BH) um mit dem Studium anzufangen. Amerikaner sind im Schnitt 17, denn die Army ist kein Pflichtheer wie bei uns sondern gleicht eigentlich auch einem Studium.
Für die Amerikaner beginnt von nun an der Ernst des Studienlebens. Das heißt in einem straffen Studienplan nach seinem Major ausgerichtet heißt es für die nächsten 4 Jahre hart arbeiten und lernen. Die Unijahre gliedern sich hier in:
- Freshman (1. Jahr am College)
- Sophomores (2. Studienjahr)
- Junior (3. Jahr im Studium) und
- Senior (4. Jahr und Abschlussjahr)
Das Studienjahr selbst gliedert sich in Semester (Winter/Sommersemester), Trimester (Winter, Frühjahr und kurzer Sommer) oder Quartale – kommt ganz auf die Uni an wie es gehandhabt wird. Unsere UTK führt das normale Semestersystem, wobei es im Sommer Summerschools für Weiterbildungszwecke gibt. Ein Semester hier hat 15 Wochen, also gleich wie auf der TU auch.
Undergraduate
Wie ich schon vorher geschrieben habe dauert der Bachelor hier 4 Jahre. Das sind nicht Mindestdauer 4 Jahre und nicht ungefähr 4 Jahre sondern genau 4 Jahre! Das heißt auch, man hat einen sehr straffen Stundenplan. Das System ist eine Mischung aus Schulsystem (weil Anwesenheitspflicht, Hausübungen etc.) und FH System . Die Kurse sind so ausgelegt, dass man sie mit normalem Aufwand auf jeden Fall schaffen müsste und so in 4 Jahren dann den Bachelortitel hat. Ein Wiederholen der Klasse ist eigentlich nicht vorgesehen. Auch das Verschieben von Prüfungen, wie es bei uns ja Gang und Gebe ist, ist hier kein Thema. Pro Semester hat man durchschnittlich 15-20 Semesterstunden (kommt auf das Curriculum drauf an) und man hat nur ganz geringe Möglichkeiten sich Kurse selbst auszusachen. Eigentlich hat man gar keine Möglichkeit bis auf das Minorstudium.
Die Kurse hier sind auf Grund dessen, dass die Bachelors nach den 4 Jahren Ausbildung in den Arbeitsmarkt einsteigen mehr auf die Praxis ausgelegt. Man hat pro Kurs verschiedenste Hausübungen, Übungen, Gruppenmeetings, Mid-Term-Exam, Tests und ein Abschlussexamen. Somit verteilt sich auch das Lernen mehr aufs mitlernen statt aufs zum Schluss lernen. In einigen meiner Kurse zählt das Mid-Term Exam 25%, das End-Exam 25% und 50% sind die Anwesenheit, Mitmachen im Unterricht, Übungen, Gruppendiskussionen etc.
Die Last von einer großen Endprüfung wie es bei uns in Österreich ist wird hier auf mehrere kleine Bereiche aufgeteilt. Und ja, ich muss es leider aussprechen, ich bin ein Fan davon. Klar, es ist schon wieder zu schulisch und zu extrem aber ein Mittelweg wäre für mich durchaus denkbar.
An der TU gibt es richtige Knockout Prüfungen mit einer Ausfallrate von weit über 50%. Für diese Fächer könnte ich mir die Aufteilung in Tests, Mid-Term und End-Examen gut vorstellen. Und in anderen, leichteren Fächern ist es dann ja trotzdem in Ordnung eine Abschlussprüfung zu machen. An der TU wird hier im Masterstudium schon teilweise auf das amerikanische System mit kleineren Zwischenaufgaben ausgewichen aber so recht traut sich das anscheinend noch keiner.
Vom Bachelor zum Master
So nun aber eigentlich zurück zum Thema. Die Bachelorausbildung macht hier in den USA auch Sinn. Man hat kaum Auswahlmöglichkeiten und muss einem strikten Stundenplan für 4 Jahre folgen. Dafür ist man dann bereit fürs Berufsleben. Und was für mich noch schöner ist, es wird auf Berufserfahrung sehr viel Wert gelegt. Es gibt hier sehr viele Quereinsteiger, die erst mit der Zeit draufkommen, dass sie vielleicht doch technischer begabt sind als angenommen die dann in einer Firma die Chance haben in die Technikabteilung zu wechseln, dort sich in den Job einzuarbeiten. Und genau für diese Leute, die bereits in einem Job waren und sich dann weiterbilden möchten gibt es hier die Masterstudiengänge.
In keiner meiner Masterkurse gibt es einen Studenten, außer mir, der direkt vom Bachelor in den Master gewechselt ist und weiterstudiert. Der Altersschnitt in diesen Kursen liegt bei gut 30 Jahren würd ich jetzt sagen. Und was mich auch sehr verwundert hat, keiner und zwar wirklich niemand hat das gleiche Fachgebiet im Bachelor wie im Master gemacht. Beispiele hier sind:
- Eine Mitstudentin hat Psychologie im Bachlor studiert, in einer Kirche gearbeitet, zwei Kinder bekommen und bildet sich jetzt im Bereich Public Health weiter weil das mit der Kirche ja zusammenpasst.
- Ein Mitstudent ist ausgebildeter Allgemeinmediziner und arbeitet auch als solcher. Nebenbei Interessiert er sich aber auch für das staatliche/ländliche Gesundheitswesen und macht deswegen zusätzlich den Master of Public Health.
- Ein Mitstudent ist Elektrotechniker (Bachelor für Elektrotechnik) und ist als Techniker im Krankenhaus gelandet. Er macht jetzt den MPH (Master of Public Health)
- Ein Student aus dem Graduate Seminar ist Physiker (Bakk). Er hat bei der intern. Atombehörde gearbeitet und ist jetzt zur NASA gewechselt und leitet dort irgendwelche Versuchsreihen in denen der Gesundheitszustand überwacht wird. Er hat dort vor allem mit Behörden und Gesetzen zu tun, was man darf, was nicht usw. also auch wieder Publich Health und 3x dürft ihr raten welches Masterstudium er macht
Wie ihr an meinen Beispielen seht kommen die Masterstudenten aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen. Aber eines haben sie alle gemeinsam: das jetzige Arbeitsumfeld. In den USA arbeitet man anscheinend mal vor sich hin oder überhaupt und wenn einem das Thema passt macht man nach gewisser Zeit den Master im selben Fachgebiet dazu. Anscheinend finden aber sehr viele heraus, dass ihnen doch was anderes besser liegt und wechseln so im Job das Fachgebiet oder die Abteilung und machen dann dementsprechend auch ein anderes Masterstudium.
Für mich klingt das alles durchaus nachvollziehbar. Denn im Gegensatz zu Österreich, wo man einen Bildungsweg einschlägt und dann den Stempel am Hirn immer mit sich mitträgt widmet man sich hier mehr den persönlichen Interessen bzw. passt sich auch dem persönlichen Umfeld an. Bei uns wird von einem erwartet, dass man mit ca. 25 Jahren einen DI/Mag. Titel hat und dann lebenslang schon fast bis man herausstirbt im gleichen Job arbeitet. Da das aber nicht mehr geht wie man auch oft genug sieht, allein schon an der Zahl der Umschulungen die beim AMS für Nicht-Akademiker gemacht werden, wird sich Österreich oder speziell Europa auch hier was einfallen lassen müssen.
So nun aber zurück zum Thema, dem Bachelor-Titel. In den USA ist es das Tor zur Weiterbildung sozusagen. Und bei uns setzt man den Titel ja mit dem Maturaniveau gleich wobei das auch stimmen mag, denn in den USA und auch Deutschland (wie man aus den Kommentaren zum Artikel liest) gibt es keine HTL oder keine BHS wo man auf einen Beruf vorbereitet wird. Dort ist das Bachelorstudium eigentlich die Vorbereitung auf den Beruf. Denn Hausübungen, Zwischentests usw kennt man bei uns sonst nur aus den Schulen, nicht mal auf der FH hat es das bis auf ein paar Ausnahmen gegeben!
Trixi
18. Februar 2011 at 12:54
Ganz egal ob Bachelor, Master oder was auch immer, Moni wir wissen was wir an dir haben…
Lg
Moni
18. Februar 2011 at 15:56
mah, dankeschön Tante Trixi!!
Helene
18. Februar 2011 at 19:58
Ganz meiner Meinung!!!!!